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Etwas tun gegen Racial Profiling und Polizeigewalt

Rassistische und diskriminierende Kontrollen und unverhältnismäßige Gewaltanwendung durch die Polizei sind keine Einzelfälle. Wenn die betroffene Person das Handeln der Polizei kritisiert, muss sie befürchten, dass die Polizei mit einer Gegenanzeige reagiert. Deshalb ist es wichtig, dass Umstehende das Handeln der Polizei beobachten und gegebenenfalls auch einschreiten. Darüber hinaus hilft eine – wenn gewünscht anonyme – Dokumentation von Fällen bei einer kritischen Auseinandersetzung mit der Polizei.

Eine Intervention zeigt konkrete Solidarität mit Betroffenen. Und sie macht den Polizeibeamt*innen klar, dass es eine kritische Öffentlichkeit gibt und dass sie nicht unbeobachtet machen können, was sie wollen. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, falls die Kontrolle oder Ingewahrsamnahme nicht abgewendet werden konnte.

Bring Dich dabei nicht selbst in Gefahr und werde nicht körperlich oder beleidigend. Bevormunde die betroffene Person nicht und höre darauf, was sie möchte.

Empfehlungen, wenn Du eine polizeiliche Maßnahme beobachtest:

BEOBACHTUNG

Verschaffe Dir zunächst einen Überblick über die Situation:

  • Was ist passiert?
  • Wer wird kontrolliert?
  • Wie ist die Stimmung der Kontrolle?
    Dazu kannst Du andere Personen ansprechen.

BETROFFENE

Biete der betroffenen Person Deine Unterstützung an:

  • Hat die Person Sprachprobleme und benötigt eine Übersetzung?
  • Soll jemand informiert werden, falls die Person mitgenommen wird?
  • Du kannst Beistand der betroffenen Person werden. Als Beistand darf Dich die Polizei nicht als Störerin wegschicken, sondern Du kannst die Kontrolle kritisch begleiten. Einen Beistand zu haben, ist ein Recht aus § 14 Absatz 4 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Frage dazu „Soll ich dein Beistand sein?“. Ein einfaches „Ja“ als Antwort reicht aus. Alles, was Du sagst, gilt als von derdem Betroffenen vorgetragen, wenn diese*r nicht sofort widerspricht.
  • Tausche Kontaktdaten mit der kontrollierten Person aus. Bitte die Umstehenden, dies ebenfalls zu tun. Du kannst Dich ihr auch explizit als Zeug*in anbieten. Vielleicht möchtest Du ihr lieber eine anonyme Kontaktmöglichkeit mitgeben, solange sie noch von der Polizei durchsucht werden könnte.
  • Empfiehl der Person, sich bei uns zu melden.

POLIZEI

Diskutiere nicht über das kriminalisierte Verhalten der kontrollierten Person!

Wichtig ist dagegen, ob die Handlung der Polizei rechtmäßig ist. Dazu gehört auch, ob es verhältnismäßig ist.

Ohne Rechtsgrundlage ist eine Kontrolle rechtswidrig. Je nach Rechtsgrundlage muss zusätzlich ein Verdacht gegeben sein. Die strategische Fahndung bildet hier eine Ausnahme, aber diese muss auch wirklich für das Gebiet angeordnet worden sein. Frage die Polizei also hiernach. Wenn sich die Polizei auf Lageerkenntnisse beruft, frage, warum gerade diese Person der Lage zugerechnet werden kann.
Wenn die Polizei keine Rechtfertigung für die Maßnahme nennt, kannst Du sie auffordern, die Kontrolle abzubrechen und alle erhobenen Daten zu löschen.

Wenn der Anlass für eine Kontrolle das Aussehen der Person zu sein scheint, und nicht ihr Verhalten, weise die Polizei auf das Verbot diskriminierender Kontrollen (Racial Profiling) hin.

Frage die Polizist*innen nach ihren Dienstnummern oder frage nach der Person, die den Einsatz leitet.

Wenn Du Beistand bist (siehe oben): Es ist nirgendwo geregelt, dass Du Dich als Beistand ausweisen musst. Rechtlich belangen können sie Dich für das Beistandsein nicht.

Wenn Du Zeug*in einer Straftat werden solltest, ist nur das verpflichtend anzugeben, was auf Deinem Personalausweis steht.

BEISTEHEN

Sammle, soweit sie zustimmen, Daten von Zeug*innen und protokolliere den Verlauf.

Beim Begleiten der Kontrolle kannst Du Beweisfotos und Videos machen. Das ist nicht verboten, solange Du keine Portraitaufnahmen einzelner Polizist*innen machst.

Aber Vorsicht: Womöglich wird dies als Provokation wahrgenommen. Es kann passieren, dass Deine Kamera unter einem Vorwand beschlagnahmt wird, um die Dokumentation zu unterdrücken. Das ist zwar rechtlich unzulässig, hindert die Polizei aber nicht unbedingt. Überlege daher gut, ob der Polizei mit deinem Smartphone evtl. Daten zufallen, die Dich oder andere gefährden.

Aufmerksamkeit auf die Kontrolle zu ziehen, übt Druck auf Polizist*innen aus, rechtmäßig zu handeln. Jedoch kann mehr Aufmerksamkeit auch unangenehm für die kontrollierte Person sein.

Im Allgemeinen sind Menschen höchstens verpflichtet, der Polizei Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und -land, Staatsangehörigkeit, Familienstand und Meldeadresse anzugeben. Auf alle anderen Fragen wie z. B. „Von wo kommst du?“ ist es ohne besondere Voraussetzungen erlaubt, zu antworten: „Dazu möchte ich keine Aussage machen!“

Wenn die Polizei mit Maßnahmen beginnt, etwa Durchsuchung, Aufnahme von Fotos oder Abnahme von Fingerabdrücken oder DNA: Die betroffene Person sollte sofort widersprechen (und dies zu Protokoll nehmen lassen), sonst gilt ihr Schweigen als Einwilligung.

Wenn die Polizei durchsucht oder Gegenstände beschlagnahmt: Die betroffene Person sollte darauf bestehen, von der Polizei ein Protokoll darüber zu erhalten, mit Rechtsgrundlage. Zu beachten ist aber, dass es nicht erforderlich und oft nicht anzuraten ist, der Polizei eine Unterschrift zu geben.
Im Fall einer Festnahme erfrage unbedingt Namen und Adresse der*des Abgeführten!

NACHBEREITUNG

Wenn Du Opfer oder Zeug*in einer Festnahme oder eines rassistischen Polizeiübergriffs geworden bist, schreibe den genannten Vorgang so genau möglich in einem Gedächtnisprotokoll auf:

  • Ort und Zeitpunkt des Vorfalls
  • Beobachtete Handlungen
  • Begründung, die die Polizei für ihre Maßnahme genannt hat
  • Personenbeschreibungen
  • Dienstnummern der Beamt*innen, Autonummern der Polizeiwagen
  • Kontakte zu anderen Zeug*innen
    Schreib uns gerne eine (am liebsten verschlüsselte) Mail mit einem Gedächtnisprotokoll. Nenne ausschließlich polizeiliches Verhalten und nichts, was Dich oder betroffene Personen belasten könnte.

ANLAUFSTELLEN

Wenn Du Fragen hast oder Unterstützung suchst, wende Dich an uns. Auch wenn Du keine Anzeige erstatten möchtest oder anonym bleiben möchtest, ist es wichtig, dass der Fall ohne Namen dokumentiert wird.

Wir danken u.a. CopWatch Leipzig für ihre Zusammenstellung von Empfehlungen.

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