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Taser Töten

Am Morgen des 19. Oktober 2022 läuft ein obdachloser Mann laut schreiend durch Dorstfeld und schlägt gegen Autos. Er ist psychisch und physisch krank, steht unter Alkoholeinfluss und hat eine Herzerkrankung. Nachdem die Polizei eintrifft, soll der Mann versucht haben, in den Streifenwagen zu gelangen. Ein Taser wird gegen ihn eingesetzt. Er verstirbt in der Nacht im Krankenhaus.

Im Jahr 2021 werden in der Dortmunder Nordstadt und nur in diesem Stadtteil DEIG (Distanzelektroimpulsgeräte) – umgangssprachlich Taser genannt – probeweise eingesetzt. Anstatt der versprochenen Auswertung, die im Frühjahr 2022 erfolgen sollte, werden sie nach zehn Monaten direkt in den Regelbetrieb übernommen. Im Streifendienst werden Taser auch in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland eingesetzt, in anderen Bundesländern werden sie nur von Spezialkräften verwendet.

In den USA werden Taser seit den frühen 2000ern eingesetzt und gehören zur Standardausrüstung von Streifenpolizisten. Dort hat eine Untersuchung von Reuters 2019 gezeigt, dass mindestens 1081 Menschen an den Folgen eines Tasereinsatzes gestorben sind. Etwa 90% davon waren unbewaffnet und fast ein Viertel hatte psychische Erkrankungen. Besonders häufig sterben alte, herzkranke oder drogengebrauchende Menschen an den Folgen eines Taser-Einsatzes.

Obwohl Deutschland daher noch weit entfernt von einem flächendeckenden Einsatz ist und sie erst 2018 das erste Mal im Streifendienst eingesetzt wurden, sind seither bereits mindestens zehn Menschen an den Folgen eines Tasereinsatzes gestorben. Die tödlichen Einsätze weisen erschreckende Ähnlichkeiten auf: Ein Mensch ist in einer psychischen Ausnahmesituation, er randaliert in seiner Wohnung, die Polizei will ihn „überwältigen“ und setzt Taser ein.

Auch wenn die Innenministerien gerne Anderes behaupten, sind Taser tödliche Waffen. Die gängige Argumentation der Befürworter*innen ist, dass durch Taser Schusswaffengebrauch verhindert wird und allein die Androhung deeskalierende Wirkung habe. Doch das Gegenteil ist der Fall: Statt sich auf vermeintlich langwierige und herausfordernde Gespräche einzulassen, sind Taser die vermeintlich „schnelle Lösung“. Anstatt Sicherheitsabstand einzuhalten, muss der*die tasereinsetzende Polizist*in auf wenige Meter herangehen. Das eskaliert die Situation weiter, gerade bei Menschen in psychischen Ausnahmesituation, und veranlasst erst recht den Schusswaffengebrauch.

Die durch die gängigen Taser-Modelle verursachten Schmerzen sind außerdem so erheblich, dass das UN-Komitee gegen Folter Tasereinsätze als gegen die UN-Konvention verstoßend verurteilt hat. Dies wurde in verschiedenen Verfahren gegen tasereinsetzende Länder festgestellt, z. B. gegen die Niederlande, Neuseeland und die USA. Sie weisen insbesondere darauf hin, dass Taser zur „weißen Folter“ genutzt werden können, also Folter, bei der Betroffene durch die geringen entstehenden Wunden Probleme haben nachzuweisen, dass ihnen körperliche Gewalt widerfahren ist. Daher warnt das UN-Komitee gegen Folter aufgrund des hohen Missbrauchspotentials vor dem Einsatz von Tasern. Wenn diese trotzdem angeschafft werden, müssen Maßnahmen ergriffen werden, sie nur in Ausnahmesituationen einzusetzen.

Taser stellen eine Gefahr für unsere Sicherheit dar. Sie sind Teil einer Militarisierung der Polizei, der wir uns überall entgegenstellen müssen. In NRW müssen Taser schnellstmöglich wieder abgeschafft werden und ihre Einführung in anderen Bundesländern muss verhindert werden. Statt einer immer weiteren Aufrüstung brauchen wir einen solidarischen Umgang mit Menschen in psychischen Krisensituationen, wie z. B. durch die Arbeit eins mobilen und qualifizierten Kriseninterventionsteams.