Es war später Abend in Dortmund. Der Polizeibeamte stand zwischen ihnen. Fünf Männer waren es insgesamt, die einen Kreis um ihn bildeten, und er in der Mitte. Wieder landete ein Schlag in seinem Gesicht. Florian M. – das ist der Name des Polizisten – hob instinktiv seine Hand, um sich zu schützen.
„Warum schlägst du mich?“ fragte er den Mann vor ihm. Die Antwort kam in ironischem Tonfall von der Seite: „Nein, das war ich, sei froh, dass das nicht meine Faust war.“ sagte einer der der anderen.
Im Laufe der Nacht wird Florian M. ein weiteres Mal geschlagen und immer wieder beschimpft, bevor er schließlich laufen gelassen wird. Im Krankenhaus stellen die Ärzt*innen bei dem Polizeibeamten einen Bruch des Bodens seiner linken Augenhöhle fest. Der Anfang 30-Jährige hat einen abgebrochenen Zahn, aufgeplatzte Lippen und multiple Prellmarken im ganzen Gesicht.
Als die Geschichte von Florian M. publik wird geht ein Aufschrei durch die Republik. Die Tagesschau berichtet über den Fall, Solidaritätsbekundungen werden in den sozialen Medien tausendfach geteilt, Politiker*innen zeigen sich schockiert und es wird darüber diskutiert, wie diese Gewalt in Zukunft verhindert werden kann. Innenminister Herbert Reul verspricht dafür weitere Aufrüstungen und er erweitert – Berlin zum Vorbild nehmend – die Befugnisse der Polizei:
Nun dürfen auch in NRW Polizist*innen in Zivil eine Pistole mit sich führen.
Sie sind schockiert, das zu lesen? Ich kann sie beruhigen. Das hat so nicht stattgefunden. Der Polizist Florian M. ist erfunden.
Tatsächlich war es eine Frau – Sabine S. – die von fünf Polizisten im Frühjahr 2022 beleidigt und geschlagen worden war.
Ihr wurden diese Verletzungen zugefügt.
Sie war es, die bei dieser Polizeiarbeit, die in der Wache Nord in Dortmund stattgefunden hat, immer wieder misogyn beschimpft wurde.
Bei ihr stellten die Ärzt:innen am nächsten Morgen die oben beschriebenen Verletzungen – den abgebrochenen Zahn, die aufgeplatzten Lippen, die multiplen Prellmarken im ganzen Gesicht und den Bruch des Bodens ihrer linken Augenhöhle – fest.
Gegen sie wurde im Nachgang eine Strafanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gestellt.
Überrascht? Schockiert?
Nein?
Nun, dann sind Sie vermutlich eine person of colour, obdachlos, eine FLINTA, linke Nordstädter:in oder gehören zu einer anderen der durch diese Polizeiwillkür bevorzugten Opfergruppen.
Was Sabine S. widerfahren ist, fand in der Dortmunder Polizeiwache Nord statt, ein berüchtigter, über die Stadtgrenze hinaus bekannter Ausgangspunkt willkürlicher Kontrollen, Schikanen und verbaler sowie physischer Angriffe durch die Polizei. Die meisten Betroffenen melden sich anders als Sabine S. gar nicht oder in Anonymität zu Wort.
Zu groß ist ihre Angst erkannt und Ziel von Repressionen zu werden.